Devil World


von Phil
13.03.2012

Ein Pac-Man-Klon mit religiösem Touch? Ja, schon ein wenig seltsam, was der gute Herr Miyamoto da in der frühen NES-Ära an Einfällen hatte, um die Kopie eines bekannten Spielprinzips ein wenig origineller wirken zu lassen. Für den frommen Geschmack von Nintendo of America wohl ein wenig zu originell, um nicht zu sagen: blasphemisch. Denn Devil World schaffte es zwar zu uns ins zweifellos moralisch völlig verkommene Europa, aufgrund Nintendos restriktiver Zensurpolitik der 80er Jahre allerdings nicht in die Staaten. Aus heutiger Sicht ist diese Entscheidung vermutlich nicht einmal dem strenggläubigsten Baptisten verständlich. Oder etwa doch?

In Devil World beschließt Tamagon, ein kleiner grüner Drache, die Welt des Teufels anzugreifen. So viel zur Story, die mit einem einzigen einleitenden Bildschirm vor Spielbeginn komplett erzählt ist. Tamagon kann seinen Streifzug entweder allein angehen oder aber auch unterstützt von einer roten Kopie seiner selbst, die im Coop-Mode vom zweiten Spieler gesteuert werden kann. Wie es der Zufall so will, wohnt der Teufel allerdings nicht wie erwartet in einem höllischen Flammenmeer, sondern in einem Pac-Man-artigen Labyrinth, das bis oben hin mit kleinen Kügelchen vollgestopft ist. Dass diese von Protagonist Tamagon nach und nach verschlungen werden, daran scheint sich das personifizierte Böse doch sehr zu stören. Also lässt er seine Schergen auf den kleinen Drachen los, die ihn durch das Labyrinth jagen. Geschicktes Ausweichen und Routenplanen ist gefragt, um möglichst schnell alle verstreuten Kügelchen zu mampfen, und gleichzeitig den Verfolgern aus dem Weg zu gehen. Denn jedes Aufeinanderprallen mit ihnen bedeutet für Tamagon einen jähen Tod. Da bleibt nichts anderes übrig, als sich eins der zahlreichen Kreuze zu schnappen, um dadurch selbstverständlich die Fähigkeit zu erlangen, Feuerbälle Richtung Gegner zu spucken. Erst einmal getroffen, lassen sich die glupschäugigen Widersacher vorübergehend ebenfalls verspeisen, bevor sie sich wieder von ihren Brandwunden regenerieren. Auch die vielen Kügelchen scheinen für Tamagon ohne Kreuz zunächst unverdaulich. Ganz schön vielseitig, so ein Kruzifix. Umso schlimmer also, dass dieses Item nur zeitlich begrenzt zur Verfügung steht, so dass Tamagon nach gewisser Zeit wieder wehrlos umherstreift und sich möglichst schnell das nächste Kreuz unter den Nagel reißen sollte.

Der wirkliche Unterschied zum Spielprinzip von Pac-Man besteht nun darin, dass der begehbare Bildschirmausschnitt stets verschoben wird, und man das gesamte Labyrinth folglich erst nach und nach durchlaufen kann. Der am oberen Bildschirmrand unermüdlich tanzende Teufel gibt seinen Gefolgsleuten nämlich abstrakte Anweisungen, wie diese den aktuellen Ausschnitt des Labyrinths per Kurbelvorrichtung zu verschieben haben. Vorsicht ist also insbesondere immer dann geboten, wenn sich Tamagon zu nahe am Labyrinthrand befindet. Nicht selten wird der grüne Held nämlich von einem Richtungswechsel der Außenwand überrascht und wird dann unfreiwilliger Zeuge davon, wie sich eine missglückte Krötenwanderung über eine viel befahrene Bundesstraße anfühlt. Schafft es Tamagon allerdings, mit Hilfe der Kreuze alle herumliegende Kügelchen des Abschnitts zu futtern, winkt ein Ausflug in die zweite Runde eines jeden Levels.

In dieser zweiten Runde geht es nun in einem weiteren Labyrinth darum, vier Bibeln einzusammeln, und sie in ein Siegel einzusetzen. Gegner sowie beweglicher Rand des Labyrinths sind auch hier vorhande, und die Bibeln befähigen Tamagon genauso wie die Kreuze aus der ersten Runde dazu, Feuer zu spucken. Ist auch diese zweite Aufgabe gelöst, verwandelt sich der Teufel in eine Fledermaus und flattert in den nächsten Level. Tamagon hingegen darf sich nun erst einmal einer dritten Runde, einem Bonusspiel widmen. In diesem geht es nun darum, in den schmalen Gängen des Labyrinths unter Zeitdruck möglichst viele Bonusboxen einzusammeln. Da der Teufel diesmal durch Abwesenheit glänzt, kann Tamagon während des Bonusspiels den Bildschirmausschnitt durch geschicktes Einsammeln von umherliegenden Pfeilen selbst bestimmen. Nach dieser Extrarunde wiederholen sich die Stages nach dem beschriebenen Dreiermuster und lediglich das Design der Labyrinthe, das Aussehen von Gegnertypen und die benutzten Farbpaletten ändern sich. Es handelt sich bei Devil World also um eine klassische Endlosjagd auf den Highscore, bis auch das letzte Leben verspielt ist. Durch fleißiges Punktesammeln kann man dem voranschreitenden Lebensschwund allerdings entgegenwirken. Wie vom Schauplatz des Geschehens nicht anders zu erwarten, fliegen beispielsweise immer mal wieder Eiscremehörnchen durch die Gegend, die den Score in die Höhe schnellen lassen und dem Spieler unter Umständen einen zusätzlichen Versuch bescheren.

Ist Devil World also nun einem Pac-Man vorzuziehen oder nicht? Dies hängt ganz davon ab, ob man dem etwas komplexeren Design von Tamagons Abenteuer etwas abgewinnen kann. Denn zweifelsohne ist Devil World der ideen- und abwechslungsreichere der beiden Titel. Pac-Man hingegen bietet aufgrund seines einfacheren Spielprinzips eine größere Einstiegsfreundlichkeit und unkomplizierteren Spaß.

So muss man mit den Eigenheiten eines Devil World durchaus erst einmal warm werden, wenn man einen bloßen Pac-Man-Klon erwartet. Sich in der Nähe des scrollenden Bildschirmrands aufzuhalten endet für den grünen Helden etwa so gut wie immer tödlich, da die Richtungswechsel oftmals mehr als plötzlich von Statten gehen und somit ausreichend Frustpotenzial bieten. Des Weiteren sorgt besagter Rand aufgrund der resultierenden eingeschränkten Routenwahl dafür, dass es teilweise ewig dauern kann, bis man den jeweils letzten verbleibenden Punkt futtern oder endlich die vierte Bibel eines Bereichs einsammeln darf.

Rein von der Optik her ist Devil World der Pac-Man-Portierung für das NES jedoch weit voraus, obwohl es zu der ersten Softwaregeneration für Nintendos Achtbitter gehört und Namcos Arcadeklassiker hingegen erst relativ spät für diesen umgesetzt wurde. Nichtsdestotrotz ist die Grafik auch in Devil World als eher zweckmäßig zu bezeichnen, da sie zwar die Spielfiguren liebevoll in Szene setzt, ansonsten aber durch Detailarmut glänzt.

Der Soundtrack erweist sich außerdem selbst für ein frühes Spiel der NES-Ära als unterdurchschnittlich, teils sogar als nervig. Das Geräusch des Verschiebens des Bildschirmrandes, das quasi ununterbrochen ertönt, zwingt den Spieler schon nach kurzer Zeit dazu, die Flimmerkiste möglichst auf lautlos zu stellen. Auch die wenigen Jingles, die immer mal wieder eingespielt werden, sind wenig ohrwurmverdächtig.

Alles in allem bleibt Devil World lediglich ein Spiel für zwischendurch, das sich allerdings aufgrund seiner eigenen Spielelemente vom Status einer bloßen Kopie des großen Originals löst und dadurch seine Daseinsberechtigung hat. Länger bei der Stange halten wird es jedoch nur Highscorejäger und Fans des sogenannten Maze-Chase-Genres.


Wertung


6/10

Kommentare



Phil
Meine Aufmerksamkeit erlangte Devil World erst, als ich von der Geschichte um dessen Nichtveröffentlichung in den Vereinigten Staaten erfuhr. Was könnte bloß so außergewöhnlich gotteslästerlich an diesem unscheinbaren Frühwerk sein, dass es Nintendo zu heikel für den amerikanischen Markt erschien? Nach kürzestem Anspielen bekam ich die wenig spektakuläreren Gründe präsentiert, kann diese allerdings nur schwer nachvollziehen. Abgesehen von diesem Kuriositätswert bietet Devil World meiner Meinung nach allerdings eher wenig Außergewöhnliches. Der simultane Zweispielermodus ist da sicherlich noch das Highlight.